Dimensionsschwund




Zusammenfassung


Es wird immer enger, Eigenheiten und Charakterzüge verschwinden, Dimensionen und Farben kommen abhanden. Aber verdichtet sich die Welt dabei aufs Wesentliche?

Theater IrrReal geht der nebensächlichen Frage nach, wo dieser Weg hinführt und ob sich vielleicht doch Licht am Ende des Trichters findet. Dabei geben sich schmachtende Damen und verzweifelte Herren ebenso ein Stelldichein wie selbständige Schatten und verquere Denker. Und welche Rolle spielen die Geschwister von Tatten?




Presse-Echo (Augsburger Allgemeine 31.1.08)

Augsburg-Dada mit beeindruckenden Szenen

Theater IrrReal Neues Stück "Dimensionsschwund" im abraxas aufgeführt

Kriegshaber | noet | Am Ende herrschte Staunen, mehr noch Ratlosigkeit. Soeben hatte das "Theater IrrReal" sein neuestes Stück "Dimensionsschwund. Von Schatten, Liebe und Freiheit" im Kulturhaus abraxas präsentiert, eine Hommage an den Künstler Kurt Schwitters (1887 - 1948) und den Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951), die als Ideengeber fungierten.

Die Schauspiel-Truppe mit ihrem Leiter Bernhard Möller wurde 1999 von ehemaligen Mitwirkenden des VHS-Theaters ins Leben gerufen und widmet sich seither dem experimentellen Theater.

In "Dimensionsschwund" wird der Frage nachgegangen, was geschieht, wenn Eigenheiten und Charakterzüge verschwinden, Dimensionen und Farben abhanden kommen. Verdichtet sich die Welt dabei auf das Wesentliche?

Eine mögliche Antwort geben Musik, Masken, Schwarzes Theater, schmachtende Damen, verzweifelte Herren, selbstständige Schatten, Schablonenmenschen, verquere Denker und ein mysteriöses Geschwisterpaar namens von Tatten.

Für zwei Stunden wird in Augsburg Dada ausgerufen. Wie bei Schwitters geklebten Bildkompositionen aus Zeitungsschnipseln und allem, was weggeworfen war, türmen die "IrrReal"-Spieler vor dem Publikum eine beeindruckende Szenen- und Text-Collage auf.

Das Geschwisterpaar von Tatten (Angela Schnittlutz und Michael Nann) verkaufen seltsame Posten und Waren an die Person Ich Bin (Margarita van Dorsser). Denn für sie winkt überall das große Geschäft.

Laura (Gina Meynen) ist eine Traumfrau im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ist aus den wirren Gedanken eines Mannes entstanden. Und Elena (Michaela Demharter, auch Regie) sucht den TraumMann, den sie in Emils (Matthias Ubert) Schatten Lime (Bernhard Möller) findet. Denn: "Kein Mann ist so treu wie du, Schatten."



Die Geschwister von Tatten (Angela Schmittlutz und Michael Nann) treffen
Vorbereitungen für die "Schablonenmenschen".             Foto: Karen Noetzel

Lime sucht die Freiheit. "Schatten. So unsterblich wie die Zeit. Schatten. Die edelste Steigerung von frei. Schatten. Entstehen ist mein Traum." Doch sein Besitzer Emil ist verzweifelt. "Mein Schatten ist abgerissen. (...) Ich bin nur ein halber Mensch ohne Schatten. Ich habe Schmerzen an der Stelle, wo er abgerissen ist."

Tieferer Unsinn

Unmittelbarkeit ist das Ziel, nicht logische Zusammenhänge oder Kontrolle durch den Verstand. Die Texte sind nicht Grundlage des Stücks, sondern eines seiner Bestandteile. Der höhere Sinn geht Hand in Hand mit tieferem Unsinn. "Ich bin Bin Ich? Ja, doch. Ich bin ich. Wach ich, träum ich? Ich bin sicherlich. Dennoch träumt' mir, ich sei nur ein Traum. Doch von wem nur? Ach, ich glaub' mich kaum."

Darin kontrapunktisch eingewoben sind Wittgensteins Gedanken zu Logik, Sprache und Bewusstsein. Friedrich (Wilfred Nann) schafft sich seine eigene Welt und befindet: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."

Wie gut, dass am Schluss Emil und Lime dank Elena wieder zusammenfinden. "Aus zwei halben Menschen wird ein ganzer."


© Bernhard Möller, Februar 2008